Zeitgeschenk
Gerade einmal zweieinhalb Monate ist es her, dass das chaotische und düstere Jahr 2019 endlich vorbei war und wir uns so auf das neue Jahr-zehnt freuten. Wieviel Erwartungen hatten wir doch in 2020 gesetzt, ver-bunden mit der Hoffnung auf eine endlich wieder besser werdende Welt. Klimawandel war das allerwichtigste Thema. Rund um die Uhr. Welt-weit. Erinnern Sie sich noch?
Jetzt ist keine Rede mehr davon, denn die Schreckensnachrichten über-schlagen sich im 2-Stunden-Takt. Covid-19 hat unser aller Leben fest im Griff. Die Weltuntergangsstimmung hat sich sogar noch verschlimmert. Verhängte Reiseverbote und Ausgangssperren tragen ihr Übriges zur Ver-ängstigung und Panik bei den Menschen bei. Bei all den negativen Schlagzeilen liegt es nun an uns allen, den Silberstreif am Horizont zu finden. Es gilt, NICHT in Schockstarre zu verfallen. Aggressiver Opti-mismus ist angesagt.
Lassen Sie mich mit positivem Beispiel vorangehen und Ihnen sagen, was gut an der ganzen Misere ist: ZEIT.
Wir sollen (und manche müssen) zu Hause bleiben. Social distancing (und jetzt ganz neu: physical distancing) heißt das hier bei uns in Kanada. Wie wunderbar! Endlich haben wir alle mal Zeit. Darüber jammern wir doch ansonsten jahrein und jahraus. Immer haben wir keine Zeit, weil wir ja alle so im Stress oder busy sind. Das ist jetzt vorbei! Ach, und wie viele Möglichkeiten sich da plötzlich auftun, die unfreiwillig gewonnene Zeit sinnvoll zu investieren. Spazierengehen, kochen, Musik hören, meditieren. Und wann haben Sie denn eigentlich zum letzten Mal ein Buch gelesen? Sich mit einem schönen Schmöker aufs Sofa verkrümelt mit einer Tasse Kaffee oder Tee und ein paar Keksen oder einem Stückchen Kuchen? Die Welt einfach ausgeblendet, Ihre Gedanken schweifen lassen anstatt sich Horrornachrichten im Fernsehen, Internet oder über soziale Medien 24/7 ins Wohnzimmer liefern zu lassen? Genau.
Emotional hygiene nennt man das, wenn man sich um sein emotionales Wohlergehen kümmert. Und das ist in diesen Zeiten fast noch wichtiger als alles andere. Lesen hilft ungemein, weil man gedanklich eine Pause von der Welt da draußen einlegt. Und bei dem vorläufig verhängten Rei-severbot kurbelt gerade Reiseliteratur - egal, in welcher Form – unsere Vorstellungskraft ganz besonders an. Wie Hoffmann von Fallersleben bereits 1841 wusste: ʺDie Gedanken sind freiʺ, und ich füge dazu: und können überall hin verreisen! Browsen Sie doch mal online im Buch-handel und suchen Sie sich das Buch aus, das Sie schon längst lesen wollten, aber nie Zeit dazu hatten. Vielleicht ja sogar mein Buch »Was Sie dachten, niemals über Kanada wissen zu wollen«, das im Mai erscheint. Jetzt oder nie!
Somit gibt es nicht nur Verlierer und Negativität in dieser herausfor-dernden Zeit. Die Tatsache, dass wir schlaue und fähige Köpfe überall auf der Welt haben, die mit Hochdruck an Lösungen arbeiten, beruhigt mich ungemein. In der Vergangenheit haben wir solche Krisen auch über-standen. Daran sollten wir uns in all der Panik ab und zu erinnern.