We are the Champions! oder: Pandemie? Was ist das??

 

Wir haben es geschafft! Seit dem 29. April führen wir endlich wieder unser Land an. Edmonton war ja bis 2015 als “City of Champions“ bekannt (bevor das irgendwer unangebracht fand und der Slogan der Stadt geändert wer-den musste). Der Meistertitel ist jetzt aber wiederauferstanden, hat sich aus-gedehnt und “Champion“ darf sich jetzt unsere gesamte Provinz Alberta nennen. Nur leider im negativen Sinn: mit 474 aktiven COVID-19 Fällen pro 100.000 Einwohnern platzieren wir uns auf dem obersten Treppchen in Nord-Amerika. Ja, ganz Nord-Amerika, d.h. sogar noch vor den USA!

 

Unser “Provinzhäuptling“ führt nun nach 15-monatiger Abwarte- und Beob-achtungstaktik ab morgen(!) “striktere“ Maßnahmen ein, um diesem nervi-gen Virus den Garaus zu machen und uns arme, freiheitsberaubte Bürger aus der Misere zu führen. Sollten wir denn bald endlich aufatmen können? Zunächst müssen wir durch die “Lockdown-Hölle“ gehen, denn der Einzel­handel wurde auf 10% Kapazität reduziert. Konkret heißt das, dass Karen mit ihren Kindern Kevin und Priscilla unter Umständen in der Warteschlange am Eingang stehen muss, bevor sie die in einer Pandemie so lebens-notwendigen Sachen wie künstliche Wimpern, Deko-Sofakissen, Sonnen-brille, Baseball-Mütze und Tüllröckchen einkaufen kann. Schrecklich! Auch die Lage bei Hollywoodschaukeln und Whirlpools ist geradezu verheerend – es herrscht Warenknappheit und man muss Wochen oder gar Monate auf die Lieferung warten! Was für  ein Drama! Wer einen Whirlpool oder Swim-mingpool ergattern konnte, sieht sich aber dann gleich der nächsten Ka-tastrophe gegenüber: ein Großbrand in einer Chlortablettenfabrik in Louisi-ana im August 2020 vernichtete alle Chlortabletten und folglich besteht nun ein Chlor-Reinigungsmittel-Mangel. Die Preise für Chlor haben sich bereits verdoppelt und es soll im Laufe des Sommers sogar noch schlimmer werden! Grausam! Das sind die Sorgen, mit denen wir uns rumplagen müssen. Manchmal weiss ich wirklich nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll, wenn ich das alles so höre und leider auch live erleben muss.

 

Die kanadische Regierung hat uns Albertanern jetzt aber ihre Hilfe angeboten, nachdem wir zur traurigen Lachplatte des Landes avanciert sind. Und was sagt unser Oberanführer dazu? “Thanks, but no thanks“, war vereinfacht ausgedrückt die Antwort. Was soll ich dazu jetzt noch sagen, außer You can‘t fix stupid?!

 

Ignoranz ist eine Sache, aber wenn sich dazu noch Hochmut gesellt, ist das nicht nur eine ganz schlechte, sondern auch eine sehr gefährliche Mischung. Diese Woche wird wohl eine beson­ders lange Woche für mich werden, denn erst am Wochenende erhalte ich meine erste Impfung. Ich zähle die Tage und Stunden und hoffe, dass ich mich bis dahin weiterhin ausreichend vor der Dummheit mancher Menschen schützen kann. (Update 12.05.: das Aufatmen hielt leider nur 2 Tage, denn unsere Impftermine wur-den kurzerhand wegen Lieferschwierigkeiten wieder abgesagt. Unser Pro-vinzoberhaupt - ein wahrer braniac - hat 3 Tage nachdem er die Altersgrup-pe der 30-50-Jährigen für Impftermine zugelassen hat, alle Kinder ab 12 ebenfalls freigegeben. Mit denen konkurrieren wir jetzt um Termine. Zudem wurden Erstimpfungen mit AstraZeneca gestoppt, weil nicht genügend Impf-stoff da ist, und die AstraZeneca-Kandidaten bekommen jetzt auch die für uns vorgesehenen Impfstoffe. Zum Heulen ist das!).

Alles jammern nützt aber nichts und ich bin froh, dass wir überhaupt eine Impfung bekommen. Hoffentlich eher früher als später.

 

Und allen, die so sehr unter der "Warenknappheit" leiden, möchte ich noch kurz eine kleine Geschichte zum Nachdenken mit auf den Weg geben: ich musste vor ein paar Tagen erstmals in meinem Leben eine Notfalltasche packen, da uns aufgrund eines auf uns zurasenden Wald- bzw. Steppen-brandes die Zwangsevakuierung drohte. Konkret bedeutet das, man darf nicht in Panik geraten und muss in kürzester Zeit ernsthaft überlegen, was man lebensnotwendig braucht und in eine Tasche packt. Dann sitzt man da und wartet, ob man aus seinem Haus rennen und alles zurücklassen muss, wenn die Sirene und damit das Feuer und der Rauch kommen. Das Nichts-Tun-Können ist das Schlimmste dabei. Das muss man erst mal aushalten können. Im Nachhinein finde ich, wäre das eine gute Übung, die jeder ein-mal machen sollte. Da wird einem ganz schnell bewusst, worauf es im Leben wirklich ankommt und dass man in so eine Notfalltasche im Ernstfall dann tatsächlich gar nix packt, ergo gar nichts braucht. Und schon gleich gar keinen Whirlpool mit eingebauter Discobeleuchtung und Stereoanlage mit Subwoofer! Also, bitte erst nachdenken, dann motzen.